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Resilienz

Das gewählte Wirtschaftswort 2022 ist "Resilienz"

Eliane Eder sitzt auf einem Stein im Garten

„Gewonnen hat ein Wort, dass die Wirtschaft aus der Psychologie übernommen hat: Resilienz. Dass ein Terminus gewählt wurde, der die Fähigkeit zur Krisenbewältigung ausdrückt, zeigt: Noch haben auch die Experten die Hoffnung nicht aufgegeben. Der Optimismus lebt.“ – Armin Reins


Wir leben in einer Zeit, wo der tägliche Stress «irgendwie» dazu gehört. Alles geht schneller, höher und weiter – wir sind ein Zahnrädchen in einem grossen komplexen System, welches sich beinahe täglich neu erfindet. Ein Mitarbeiter, welcher nicht mit den täglichen Herausforderungen oder Krisen umgehen kann, kommt schnell an seine persönlichen Grenzen. Das Thema Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit – hilft uns in diesen stressigen Phasen die Orientierung zu behalten und die Regeneration zu beschleunigen. Die Resilienz kann als eine Art «Immunsystem» der Psyche verstanden werden. Jeder von uns kennt Menschen, an denen der Stress scheinbar abprallt - Menschen, welche sich nach einer Krise kurz schütteln und dann einfach weitermachen - Menschen, welche eine geheime Energiequelle haben müssen. Ist Resilienz angeboren oder kann ich aktiv etwas dafür tun - am Ende des Artikels erfährst du mehr...

 

Resilienzmodelle

Es gibt unzählige verschiedene Modelle und Theorien. Ich persönliche fühle mich mit dem Modell, von Diplompsychologin Ursula Nuber, die"7 Säulen" sehr wohl. Die Ergänzung von Prof. Dr. Jutta Heller mit drei weiteren Faktoren für die moderne Zeit hat mich am meisten überzeugt und passt mit meinen Vorstellungen am besten. Das Modell der sieben Säulen veranschaulicht die wichtigsten Faktoren zur Stärkung unserer inneren Widerstandsfähigkeit und den souveränen Umgang mit Stress.

Die detaillierte Ansicht dieser Säulen werden uns aufzeigen – warum resiliente Menschen mit Problemen und Herausforderungen souverän umgehen können und wie die einzelnen Faktoren trainiert und ausgebaut werden können. Jedoch ist hier auch ganz klar zu erwähnen, die Säulen dienen als vereinfachte Darstellung und dürfen nie isoliert betrachtet werden. Es gibt immer Überschneidungen der Säulen und spezifische Ausprägungen bei einzelnen Individuen.

 

1. Säule: Akzeptanz

Ist die Fähigkeit, vergangene, unvermeidbare und/oder unveränderbare Tatsachen anzunehmen. Der empfundene Stress liegt häufig nicht im Fehler an sich – sondern in den Gedanken, was gewesen wäre, wenn….

Die Säule der Akzeptanz besteht aus einem emotionalen und einem kognitiven Element. Durch diese Aufteilung werden die eigenen Grenzen und Fehler kognitiv akzeptiert (Selbstakzeptanz) und emotional für sich selbst angenommen (Selbstannahme).

Akzeptanz soll aber nicht mit Resignation verwechselt werden – die Schwierigkeit besteht darin zu wissen, wann eine Situation unveränderbar geworden ist. Eine gute Lösung soll einer Akzeptanz immer vorgezogen werden – nur wie weiss ich, wann dies noch möglich ist?

 

2. Säule: Optimismus

Ist die Fähigkeit, mit einer positiven Lebenshaltung und Selbstverantwortung das Schöne und Wertvolle zu sehen. Dies beeinflusst unsere psychische und physische Gesundheit und wurde bereits durch Studien bestätigt.

In der Evolution, und deswegen unbewusst noch verankert, war das Überleben abhängig davon, vom Schlimmsten auszugehen, um umgehend reagieren zu können.

Wir sollten uns immer wieder bewusst machen, welche Dinge an einem Tag, in einem Projekt oder während eines bestimmten Zeitraums gut gelaufen sind – in unserer Wahrnehmung und in Gesprächen mit Kollegen verankern sich die negativen Erlebnisse schneller.

 

3. Säule: Selbstwirksamkeit

Ist die Fähigkeit, an sich selbst zu glauben und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu besitzen. Eine Studie von Albert Bandura belegt, dass menschliches Verhalten von der inneren Überzeugung stark beeinflusst wird. So gehen Personen mit hoher Selbstwirksamkeit davon aus, dass Erfolge auf ihr eigenes Können und nicht auf Glück zurückzuführen sind. Dies wiederum stärkt das Selbstvertrauen und das beflügelt das weitere Tun. Auch hier hilft es zurückzublicken und das vergangene nochmals zu reflektieren, um zu sehen, welche meiner Fähigkeiten vorhanden waren.

 

4. Säule: Eigenverantwortung

Ist die Fähigkeit, die Konsequenzen für das eigene Handeln und die eigenen Entscheidungen zu tragen. Zum Handeln gehört auch die Achtung auf die physische und mentale Gesundheit, ohne die eine positive Resilienz kaum möglich ist. Es wird nicht im ersten Fokus der Schuldige gesucht, sondern durch eigenes aktives Handeln die Situation analysiert und verändert. Sehr häufig habe ich Personen im Coaching, wo der erste Satz ist «Schuld an dieser Lage ist xy» - da habe ich häufig bereits einen Ansatz an was wir arbeiten können. Solange der Fokus auf jemand anderem ist – kann ich mich nicht objektiv reflektieren und dies blockiert meinen persönlichen Fortschritt. Ich behaupte, ohne eine gut ausgeprägte Eigenverantwortung ist eine langfristige Resilienz beinahe nicht möglich.

 

5. Säule: Netzwerkorientierung

Ist die Fähigkeit, durch verschiedenste Arten von Beziehungen eine zusätzliche wertvolle Ressource zu schaffen. Um diese Bindungen aufbauen und halten zu können, ist eine grosse Portion Empathie notwendig. Durch aktives Zuhören und die Deutung von verbalen und nonverbalen Signalen kann eine Vertrauensbasis hergestellt werden, wobei darauf zu achten ist – die Emotions- und die Sachebene einer Beziehung nicht zu vermischen. Menschen, welche es sich gewohnt sind Entscheidungen alleine zu treffen, haben häufig Mühe mit dieser Fähigkeit. Auch hier kann mit kleinen Alltagsübungen gelernt werden, auf andere zuzugehen und neue Ressourcen zu finden.

 

6. Säule: Lösungsorientierung

Ist die Fähigkeit, sich nicht auf das Problem zu konzentrieren, sondern sich davon zu lösen und seinen Fokus draufzusetzen, was gut funktioniert und noch mehr daraus zu ziehen. Wie S. de Shazer um I. Kim Berg in der lösungsorientierten Kurzzeittherapie bereits erfolgreich zeigen – funktioniert eine Lösung auch – ohne das Problem im Detail zu analysieren. Im Mittelpunkt stehen die eigenen Erfahrungen, um daraus Kraft zu ziehen und durch Konstruktivität positiv an der Lösung zu arbeiten. Viele versuchen heute mit agilen Teams zu arbeiten - «richtig» umgesetzen bedeutet dies in sehr kurzen Abständen immer wieder zurück um zu sehen was gut gelaufen ist und davon mehr zu machen. Nicht zu lange zu warten und dann einen grossen Zeitraum zu reflektieren - auch kleine Veränderungen können eine grosse Wirkung zeigen.

 

7. Säule: Zukunftsorientierung

Ist die Fähigkeit, seine Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen und mit Eigenantrieb seine Ideen durchzusetzen. Durch die Definition von Zielen, welche mit Prioritäten untermauert werden, wird die Zukunft planbar und es entsteht Sicherheit. Unsere VUCA-Welt zwingt uns jedoch, flexibel zu bleiben und situationselastische Ziele zu formulieren, welche jederzeit an neue Gegebenheiten angepasst werden können. Um Ziele zu erreichen braucht es zwei Faktoren, zum einen den Wunsch der Erreichung (inkl. der genauen Formulierung des Zielinhaltes) und zum anderen die Fähigkeit dies zu planen.

 

7-Säulen plus 3

Nichts ist im Stillstand und genau nach diesem Motto müssen auch bewährte Modelle immer wieder überarbeitet werden. Frau Prof. Dr. Jutta Heller hat dem Modell von Frau Ursula Nuber einen modernen Anstrich verleiht. Sie hat eine Ergänzung mit drei weiteren Faktoren getätigt, welche ich als sehr sinnvoll erachte.

 

8. Säule: Achtsamkeit

Ist die Fähigkeit, die drei Worte «ICH – HIER – JETZT» bewusst leben zu können. Unsere reizüberflutete Multitaskingwelt lässt uns immer wieder den Fokus verlieren und die Signale des Körpers aus der Wahrnehmung nehmen. Als erster Schritt ist ein bewusster Wechsel auf Singletasking empfehlenswert. Gerade in Beziehungen ist die Achtsamkeit ein wichtiger Anker und signalisiert Respekt und Empathie. Eine bewährte Methode um die Achtsamkeit zu trainieren ist die regelmässige Meditation – dies muss nicht bedeuten stundenlang ruhig auf einem Kissen zu sitzen. Die Meditation kann auch in den Arbeitsalltag oder in der Bewegung ausgeübt werden. Selbstverständlich gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, wie die Zuhilfenahme von Primes oder anderen Körperübungen.

 

9. Säule: Ungewissheitstoleranz

Ist die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten und Ungewissheit zu ertragen sowie andere Sichtweisen gelten zu lassen. Was die Zukunft bringt, ist nicht immer planbar – auch die Eindeutigkeit von Informationen hat in unserer Welt abgenommen. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen nimmt einen hohen Stellenwert ein, unabhängig von Expertenmeinungen. Die Menge an Informationen suggeriert uns teilweise, dass wir wissen, was passiert und wenn es dann anders kommt, sind wir enttäuscht (auch über uns selber). Durch die Entwicklung von widersprüchlichen Qualitäten kann ich flexibel mit diesen Veränderungen umgehen und lerne dadurch, mit dem Ungewissheits-Druck umzugehen.

 

10. Säule: Veränderungsbereitschaft

Ist die Fähigkeit, Veränderungen als spannende Herausforderungen zu sehen und keine Angst vor Fehlern oder dem Scheitern zu haben. Die Veränderungskompetenz besteht aus zwei Teilen – der Veränderungsfähigkeit (kann ich das) und der Veränderungsbereitschaft (will ich das). Die Bereitschaft wird durch eine klare Ziel-Vision deutlich gesteigert und somit die Motivation verbessert. Jede Veränderung fordert viel an Flexibilität und der Möglichkeit, die gewohnte Routine zu verlassen – nicht jeder Mitarbeiter kann zu jeder Zeit damit gleich gut umgehen. Häufig hilft eine klare Aufstellung in Teilschritte und den geplanten Effekt darin, um mehr Ruhe und Verständnis in den Ablauf zu bringen.

 

Ist Resilienz angeboren oder kann ich sie trainieren?

Ganz klar BEIDES! Bereits im jungen Kindesalter wird die Resilienzfähigkeit aufgebaut und der erste Grundstein gelegt. Das Leben tut dann sein weiteres, um regelmässig diese Fähigkeiten zu entwickeln. Wichtig in den jungen Jahren sind Vorbilder und Menschen, die an einen Glauben, auch wenn es einmal nicht so toll läuft. Durch diese Erfahrungen kann eine starke Resilienz aufgebaut werden.

Gute Nachrichten für alle, welche an ihrer Resilienz arbeiten möchten - auch dies ist jederzeit möglich. Ich verwende mit Absicht das Wort "Arbeiten" - eine Veränderung von gefestigten Gewohnheiten und Einstellungen ist nicht ganz einfach und bedingt einiges an Willen und etwas Zeit. Durch die Erschaffung von Zielen und neuen Routinen ist es immer möglich eine Veränderung zu starten. Mit kleinen und grossen Massnahmen können Fortschritte gemacht werden - zum Beispiel ein Kopfkissentagebuch, um tägliche Zufriedenheitsmomente zu notieren oder regelmässiges Meditieren in den Alltag einbauen. In der Zusammenarbeit mit einem ausgebildeten Coach oder betrieblichen Mentor können noch weitere Methoden und Tools eingesetzt werden – diese bedingen aber eine professionelle Anleitung und Durchführung. Bei Fragestellungen zur Resilienz geht es sehr häufig um Reflexion und Perspektivenwechsel – um in diesen beiden Themen positive Erfahrungen mitnehmen zu können, ist eine richtige Anwendung sehr wichtig. Zu schnell verliert man sich in Selbstzweifel und in einem wilden Gedankenkarussell.

 

Resilienz im beruflichen Umfeld

Resiliente Mitarbeiter sind langfristig leistungsfähiger und zufriedener an ihrem Arbeitsplatz. Immer häufiger setzen Arbeitgeber auf Trainings, welche gezielt die Resilienz aufbauen sollen. Diese Trainings können im Team oder auch in Form von Einzelcoachings stattfinden. Im Einzelsetting kann sehr gezielt auf den Menschen eingegangen und berufliche wie persönliche Angelegenheit vermischt werden. Der Effekt auf den einzelnen Personen ist in dieser Art des Trainings evt. etwas höher. Beim Teamtraining kann die Gruppendynamik und das Gemeinschaftsziel in den Fokus genommen werden. In dieser Art kommt häufig noch der WIR-Effekt stark zu tragen. Beide Formen haben Vor- und Nachteile (wie fast alles im Leben) - beide sind aber immer besser als nichts zu machen und den Kopf in den Sand zu stecken.

Resilienz ist nicht ohne Grund das Wirtschaftswort vom 2022 - den unser wichtigstes Kapital im aktuellen Fachkräftemangel sind unsere Mitarbeiter! Die relativ junge Ausbildung des betrieblichen Mentors soll genau diese Lücken füllen und kann auch in ihrem Unternehmen eine sinnvolle Ergänzung sein.



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